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Auch in der Frühen Neuzeit gab es schon Bildergeschichten. Eine der beliebtesten, sozusagen die ‘Mickey Maus’ des Steinzeugs, brachten die Raerener Töpfer auf ihre Krüge: Es war das Motiv des Bauerntanzes. Viele Künstler des 16. Jahrhunderts schufen Darstellungen des bäuerlichen Lebens - von Festen, Hochzeiten und Freizeitbeschäftigungen. In der Ständegesellschaft bildeten die Bauern die unterste und größte Gruppe. Von Menschen anderer Stände, also von Adligen, Bürgern oder Geistlichen wurde die bäuerliche Landbevölkerung sehr oft als sittenlos und grob verachtet. Andererseits galten Bauern jedoch auch als urwüchsig und bodenständig, ungebildet aber glücklich.

Besonders geeignet, um die Standesunterschiede zu zeigen, erschienen den Höhergestellten die Feste und Feiern der Bauern. Auch die Adligen wiesen keineswegs immer die feinsten Sitten auf, doch es gab bei ihnen eine Festtradition mit Ritterturnieren und angeleiteten Schreittänzen zur Musik von Zupf- und Streichinstrumenten.

Auf dem Lande ging es anders zu: Gefeiert wurde zu vielen Gelegenheiten. Und zu einem bäuerlichen Fest gehörte neben rauschhaftem Trinken auch der Tanz. Die meisten Tänze der Bauern hatten zwei Teile. Der erste Teil war eher ruhig. Ihm folgte ein schneller Teil, der wohl oft ausartete. Beim städtischen Bürgertum wie auch beim Adel galt der zweite Teil als vulgär und zuchtlos, eben ‘bäurisch’.

Auf großen Krügen brachten die Raerener Töpfer Bauerntänze mit drastischen Darstellungen torkelnder und sich übergebender Bauern auf. Reichere Adlige und Bürger kauften sie, denn sie sahen darin ihre Ansichten über Bauern bestätigt. Die Bauernmotive galten auch als Aufforderung, das angeblich zuchtlose Verhalten der Landbevölkerung zu verbessern.

Die Comics auf den Krügen sind also Ausdruck einer überheblichen, gleichzeitig aber auch ängstlichen Einstellung der Adligen und Bürger zu den ländlichen Festen und deren Gebräuchen. Reiche Käufer bestätigten mit den Krügen außerdem ihre Ansichten über die eigene, angeblich bessere Lebensführung. Während ihrer eigenen Feiern, die sehr oft ebenfalls in Trinkgelage ausarteten, lachten sie über die rauen Sitten der Bauern.

Aus diesem Text aus dem Bürgertum geht die niedrige Meinung der höheren Stände über die Bauern hervor:

„Bauren sind zwar Menschen, aber etwas ungehobelter und gröber als die andern. Betrachtet man ihre Sitten und Gebärden, so ist unschwer einen höflichen Menschen von einem Bauren zu unterscheiden. Einem Bauren gehöret der Flegel in die Hand und ein Pengel in die Seiten, ein Karst auf die Achsel und eine Mistgabel an die Tür. Ihre hässlichen Sitten sind jedermann bekannt, sowohl im Reden als Gebärden. Im Reden gilt‘s ihm allerdings gleich, was er vor Leute vor sich hat. In Gebärden wird er selten an seinen Hut gedenken, denselben abzuziehen. Wann sie essen, so brauchen sie keine Gabel, sondern greifen mit allen fünfen in die Schüssel und drucken dem Salat, sauren Kraut etc. den Saft aus, dass er wieder zurück da hinein oder ihnen wohl gar über das Maul hinunter läuft, da sie dann solchen samt dem Rotz und abhangenden Tropfen an der Nasen mit dem Ärmel abwischen, auch lassen sie sich an dem, was ihnen bei Gastereien vorgelegt wird, nicht genügen. Über das ist einem Bauren nicht wohl möglich, dass er frei stehen kann, er muss einen Ort suchen, wo er sich widerlehne; stehet er aber frei, so steuret er sich mit gebogenem Rücken auf seinen Stock.“

(Zitiert nach: Richard Van Dülmen, Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit, München 1999)